Vom Kahlschlag zur Kiezentwicklung - Wege der Stadterneuerung in Berlin


In den 80er Jahren wird die
Rettung der Altbauquartiere
politisches Sprengstoffthema
im Westen



Ob Ost oder West: Kahlschlag
bestimmte die Sanierungspolitik
bis in die 70er Jahre





Bis zur Wende 1998
konzentrierte sich die
Bautätigkeit im Osten
auf die Trabantenstädte,
während die alten
Kieze verfielen

Die größte Mietskasernenstadt der Welt – das war das Ergebnis des Baubooms, den Berlin vor hundert Jahren erlebte. Fast genauso alt ist die Kritik an den katastrophalen Wohnverhältnissen in der dicht bebauten „steinernen Stadt” – so das Negativ-Schlagwort. Doch erst Anfang der 60er Jahre wurden die Mietshausblöcke mit ihrem Stigma unhygienischen Hinterhofelends dann zum erklärten Feindbild der Stadtplaner und Politiker. Mit dem flächendeckenden Abriss „rückständiger Viertel” wollten sie einer „aufgelockerten”, „entmischten” und autogerechten Stadt den Weg ebnen. In den 70er Jahren formierte sich zunehmender Widerstand gegen die Gewalttaten der Kahlschlagsanierung. Alteingesessene Mieter und Gewerbetreibende begannen, sich gegen die Zerstörung preiswerter Wohn- und Arbeitsräume zu wehren. Junge Zuwanderer besetzten Abbruch-Häuser und machten die Rettung der kaputten Stadt zum politischen Sprengstoffthema. Mit dem programmatischen Titel „Innenstadt als Wohnort” reagierte auch die Internationale Bauausstellung (IBA), die 1984 bis 1987 in (West-)Berlin stattfand, auf das Desaster der Kahlschlagsanierung. Das zukunftweisende Verdienst der IBA ist die „behutsame Stadterneuerung”, wie sie in Kreuzberg entwickelt und praktiziert wurde. Damit war der Kurswechsel in der Sanierungspolitik besiegelt: Die Bedürfnisse der Bewohner galten nun als wichtigste Entscheidungsgrundlage, und man entdeckte die Qualitäten der vorhandenen Bausubstanz.

An der „endgültigen Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem” versuchten sich die Planer in Ost-Berlin, indem sie am Stadtrand Großsiedlungen in Plattenbauweise errichteten. Damit verbunden war die Vernachlässigung des Altbaubestandes in der Innenstadt. In der Spätphase der DDR, als man erkannt hatte, daß mehr Wohnungen durch Verfall verloren gingen als durch den Neubau geschaffen wurden, gab es Ansätze einer Rückkehr in die Innenstadt. Als Beispiele nennt Thomas Flierl, Baustadtrat im Bezirk Mitte, „den Wohnungsneubau in der Spandauer Vorstadt oder, mit barbarischer Bautechnik, Stadtreparaturen am Arnimplatz und am Arkonaplatz.”

Mit dem Fall der Mauer haben sich auch die Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung grundlegend verändert: enormer Sanierungsbedarf bei leeren öffentlichen Kassen, Massenarbeitslosigkeit und als Folge davon das wirtschaftliche und soziale Auseinanderdriften der Gesellschaft. Innerstädtische Altbauquartiere und Großsiedlungen – im Osten und Westen der Stadt gleichermaßen – sind die Gebiete, in denen sich die Probleme konzentrieren: Wegzug von Familien mit Kindern, eine hohe Dichte an Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern, Perspektivlosigkeit unter Jugendlichen. „Quartiersmanagement” lautet das umstrittene Zauberwort, mit dem der Senat 15 Berliner Kieze vor dem drohenden Abstieg retten will. Ausgehend von der Erkenntnis, daß bauliche Maßnahmen allein nicht ausreichen, ist die Strategie umfassend ausgerichtet und versucht, die Lebensbedingungen eines Quartiers auch in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht zu verbessern. Die Konzentration auf ein Gebiet, die Stärkung der lokalen Ökonomie, und „großgeschriebene” Bürgerbeteiligung sind Akzentsetzungen, die auch das URBAN-Programm kennzeichnen. Grund genug, diese neuen Ansätze der Stadtentwicklung hier näher vorzustellen.